Holle: Verbreitung
"Frau
Holle ist unter diesem Namen in einem breiten Territorium bekannt,
welches sich von Luxemburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz bis
hin nach Sachsen erstreckt, mit Thüringen und Hessen als
Zentrum.
Aber auch Teile des oberdeutschen Sprachgebiets gehören zu
ihrem
Namensbereich wie Südthüringen und die Gegend um
Würzburg bis südlich von Karlsruhe ...
Südlich davon
herrscht Frau Percht(a) über ein großes Gebiet, das
fast
ganz Süddeutschland, Österreich und die
deutschsprachige
Schweiz mit Ausläufern und Sprachinseln umfasst ... der Raum,
in
welchem die Herre oder Herke vorkommt, einer ebenfalls mit Holle
verwandten Gestalt, erstreckt sich nördlich von
Mitteldeutschland
über eine noch recht große Fläche von
Krefeld,
Düsseldorf über Braunschweig nach Sachsen-Anhalt,
aauf das
Umland von Berlin und das nordwestliche Sachsen.
Zwischen ihr und dem Norden Deutschlands liegen die relativ kleinen
Sprachgebiete der Gode ... und der Frick. Im nördlichen
Sachsen und im südlichen Brandenburg ist dagegen die
sorbische Murawa belegt."
Andrea
Jakob, Wer war Frau Holle? In: Frau Holle: Mythos, Märchen und
Brauch in
Thüringen, S. 79/80
|
"Frau
Gode verdankt ihren Namen dem Wode, welcher etymologisch als identisch
mit dem Gott Wotan anzusehen ist ... damit kann im Norden Deutschlands
sozusagen von einer Wodanisierung gesprochen werden, die zuungunsten
der südlicheren weiblichen Gottheiten noch vor der
Christianisierung angelaufen sein muß ... Auch die Percht und
die
Frick haben noch etliche andere Bezeichnungen. Doch im Großen
und
Ganzen sind alle auf drei Namen zurückzuführen: auf
die
Percht im Süden, auf die Holle in Mitteldeutschland, im Norden
aber auf Frija (Frigga), die Frau des Wodan."
Andrea
Jakob, Wer war Frau Holle? In: Holle Mythos, Märchen und
Brauch in Thüringen,
S.
85
|
Frau Holle, Frau
Percht und verwandte Gestalten
in Deutschland
Frau Holle, Frau
Percht und verwandte Gestalten in Deutschland,
angefertigt
von
Andrea Jacob (S. 81) nach Erika Timm / Michael Trauth
"Im
breiten thüringisch-niedersächsischen Raum ist es
wahrscheinlich, daß Frau Holle dort in die Zeit des
Thüringerreiches (vor 531), Herke in die Zeit der
sächsischen
Vorstöße (6.-10. Jhd.) zurückreicht. Und am
Meißner ergaben sich sogar nicht-sprachgeographische
Wahrscheinlichkeitsargumente dafür, daß das Holle
genannte
Numen (Gottheit) dort in den ersten Jahrhunderten nach Christus bekannt
war. Erika Timm kam zum Schluß, daß sich Frau Holle
und
ihre verwandten Gestalten in christlicher Zeit bereits etabliert hatten
und sich im Raum nur noch dadurch bewegten, wenn sich
ihre Gläubigen auf Wanderschaft begaben ...
Aber es gibt durchaus weitere Belege für die Existenz einer
weiblichen göttlichen Gestalt in Mitteldeutschland ...
(beispielsweise in der) Gründungslegende (des Bistums
Würzburg), der Kilianspassion."
Andrea
Jakob, Wer war Frau Holle? In: Frau Holle: Mythos, Märchen und
Brauch in Thüringen, S. 85/86
|
"Da auch der Text der
Würzburger passio in Latein geschrieben worden war, hatte man
den Namen der hier existenten großen Göttin
latinisiert, denn der Kult der römischen Diana war, soviel wir
wissen, nie bis in unsere Gegend gelangt ... Auch in der
Archäologie gibt es aussagekräftiges Material, u. a.
Holzidole aus Moorfunden. So wird die Ausgrabungsstätte von
Oberdorla Museumsverband
Thüringen - Opfermoor Vogtei bei
Mühlhausen als ein Heiligtum aus der Zeit vom 1. bis 4.
Jahrhundert nach Chr. angesehen. Den gefundenen Kultfiguren nach zu
urteilen, wurden hier vorwiegend weibliche, aber auch einige wenige
männliche Gottheiten verehrt. Später schreibt der
Ausgräber Günter Behm-Blancke – ohne die
Diana der Kilianspassion zu kennen – von einer
Göttin vom Typ einer germanischen Diana."
Andrea Jakob, Wer war Frau Holle? In: Frau Holle:
Mythos, Märchen und Brauch in Thüringen, S. 87
vgl. auch Günter Behm-Blancke,
Laténezeitliche Opferfunde aus dem germanischen Moor- und
Seeheiligtum von Oberdorla, Kr. Mühlhausen. In: Ausgrabungen
und Funde 5 (1960),
S. 232 – 235)
|
In heute noch existierenden
außerdeutschen Sprachinseln kommt
'Holle' in Siebenbürgen (Rumänien), einigen Gegenden
der heutigen Slowakei sowie in Ost-Oberschlesien vor, Percht in
Slowenien (Gottschee) sowie in einigen Tälern
nordöstlich von Verona, die einmal von Tirol aus besiedelt
wurden.
vgl. Erika Timm, Frau Holle, Frau Percht und verwandte
Gestalten, 2. Aufl., Stuttgart, 2010, S. 95 ff
Insgesamt ergibt sich aus der mittelalterlichen Quellenlage zu 'Holle',
'Percht(a)' und ihren 'Kolleginnen' im deutschen Sprachraum, dass die
Existenz einer universellen Göttin des Himmels und der Erde
bei den Lesern und den wenigen Leserinnen dieser Quellen als bekannt
vorausgesetzt wurde. Somit ist davon auszugehen, dass 'Frau Holle' die
vorwiegend mitteldeutsche Ausprägung einer germanischen,
höchstwahrscheinlich noch viel älteren
all-zuständigen Göttin war und ist.
|
|