Im Reich der Frau Holle









Annette Rath-Beckmann
Historikerin | Matriarchatsforscherin

Der Frauenschuh



Der Frauenschuh, eine besonders schöne heimische Orchidee, wächst auch heute noch an verschwiegenen Plätzen in unseren Wäldern. Er ist im Spessart bekannt als Frauschunkelblume, die der Frau Schunkel heilig ist. Unter diesem Namen ist Frau Holle im Spessart bekannt.
Frauenschuh

Der Gelbe Frauenschuh

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Frauschunkelblume

m dunkelgrünen Spessart, den der silberne Wasserlauf des rebenbekränzten Maines umströmt, ist Frau Holle unter dem Namen Frau Schunkel bekannt. Hier kennt man sie als mächtige, aber gütige Zauberin. Im Winter wohnt sie mit ihren Kindern in den Grotten und Höhlen der Hügelwälder, wo sie in ihren Schatzkammern das Silber und Gold der Erde bewacht. Dort hält sie auch ihre Zauberbücher verborgen, in denen die Erdgeheimnisse aller Naturreiche niedergeschrieben sind. Kein Unberufener findet den Eingang zu ihren unterirdischen Schätzen. Nur der Glückliche, der das Schloß Nama und den Schlüssel Tata findet und damit aufschließt, zu dem kommen ihre Kinder als dienstbare Geister und
 führen ihn ihrer Mutter zu, welche ihn reich beschenkt. Im Frühling aber, so Ende März, dann verläßt Frau Schunkel ihr dunkles Erdreich gleich den Blumen und Blättern, den Käfern und Schmetterlingen. Dann sieht man sie als lichte Elbin über blühende Gründe und grüne Haine entschweben in segnendem Flug.

Unter den lichten Kindern des Waldes ist dann die Frauschunkelblume, der lichte und seltene Frauenschuh, ihr liebstes Gewächs. Es waltet aber über dieser Blume ein strenges Gesetz, und nur im Mai darf der Wanderer dieses Sinnbild der Reinheit und Unschuld pflücken.

Einmal, so wird erzählt, kam ein Mann aus fremder Ferne daher. Der hatte wohl gehört von diesem strengen Gebot. Es war aber eben der Mai vergangen. Da sah er im grünen Teppich des Waldes die Wunderblume hold und verlockend auf schwankendem Stengel schweben. Ihm war, als bräche ein Lichtschein aus ihrer Blüte und leuchtete weit wie ein Edelstein unter den dunklen Stämmen. "Was mag schon dabei sein," sagte er bei sich, "den Elfenschuh steck ich mir doch noch auf meinen Hut!" Kaum aber hatte er den zarten Hals der Blüte gebrochen, so verfinsterte sich der ganze Forst, und Frau Schunkel kam angefahren mit ihren Geistern. Ihre Stimme grollte: "Wer meine Blume zur Unzeit bricht, steht im Waldgericht!" Da packten ihre kleinen Geister den Frevler mit festen Fäusten, zerkratzten ihm das Gesicht und zerzausten ihm seinen Schopf, daß er schleunigst entfloh.

So wacht hier Frau Schunkel über Wald und Flur bis in den Herbst. In der Adventszeit kehrt sie dann heim in ihr unterirdisches Zauberreich, wie die Blumen und Blätter sich wieder der Erde gesellen, und die Tiere den Winterschlaf suchen im Schoß der Erde. 
Hier pflanzte sie dann in der unterirdischen Ruhe
jeder Blume den Traum vom
Frühlingshimmel ins Herz




Karl Paetow, Frauschunkelblume. In: Frau Holle: Märchen und Sage,
 S. 18 und 19
























































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