Im Reich der Frau Holle

Die Blaue Kuppe - Foto Annette Rath-Beckmann
Annette Rath-Beckmann
Historikerin | Matriarchatsforscherin

Die Wettermacherin und
Gebieterin der Elemente



Wenn die Nebel um den Meißner zogen, hieß es: "Frau Holle kocht ihr Morgenmus"; schneite es, "schüttelte Frau Holle ihre Betten aus".
Frau Holle schüttelt die Betten

Frau Holle lässt es auf der Erde schneien

Gouche nach Otto Ubbelohde von A. Cohrs, um 1950. In: Frau Holle: Mythos, Märchen und Brauch
in Thüringen, S. 91, Deutsches Märchen- und Wesersagenmuseum Bad Oeynhausen


Wenn um Weihnachten die Sonne leuchtendrot hinter dem Berg verschwand, meinten die Menschen: "Frau Holle backt Plätzchen", und die mit Tau benetzten Spinnennetze im Spätsommer deuteten darauf hin, dass "ihr Spinnrad surrte".

Spinnen-Netz

Spinnen-Netz

Foto: Annette Rath-Beckmann

Immer wieder ist in den Holle-Mythen die Rede von den Luftfahrten der Frau Holle, die sie im Frühjahr, im Herbst und in den Rauhnächten unternahm und die jeweils mit einer jährlich wiederkehrenden Handlung, dem Jahreszyklus, verbunden waren: im Frühjahr schloss sie ihr unterirdisches Reich auf und ließ ihre Katzen (d.h. ihre Priesterinnen, ihre Holden bzw. ihre Saligen) in die Menschenwelt ziehen. Die Saligen wurdend ie Begleiterinnen der Percht(a) genannt, einer Entsprechung von Frau Holle im süddeutschen und im Alpenraum. Im Herbst sammelte sie die Seelen der im letzten Jahr Verstorbenen (Pflanzen, Tiere und Menschen) in einem wilden Zug ein, um sie in ihr unterirdisches Reich zu führen.

In den Rauhnächten segnete sie die Erde, damit sie Frucht trage im neuen Jahr.

vgl. hierzu Jeanne Ruland, Das Geheimnis der Rauhnächte, Darmstadt, 14. Aufl., 2014,
insbesondere  S. 8, 23, 25, 27, 31 sowie Nayonah de Haen, Das Mysterium der Rauhnächte,
insbesondere S. 13/14, Burgrain, 2012 


Karl Paetow: Die blaue Blume

Karl Paetow: Die Taube mit dem goldenen Stühlchen

Das Element Luft

steht für die kosmische, himmlische Qualität der Göttin. In der Altsteinzeit (bis ca 10.000 v.u.Z.) wurde die Große Mutter ohne einen männlichen Partner verehrt. Männliche Götter waren unbekannt. Die Göttin feierte von Anfang Mai bis zur Sommersonnenwende die Heilige Hochzeit mit dem Wind, im Verlauf der Jungsteinzeit nahm ihr Heros, ihr männlicher Partner im Vegetationsjahr, diesen Platz ein.

Die Morgengabe und der Frau Hollen-Stuhl

Das Element Feuer

zeigt sich in der Sonnen-Qualität der Frau Holle, die alles, was sie berührte, zu Gold machen und Gold ausschütten konnte über die, die es verdient hatten.

Karl Paetow: Der Frauenwagen

Das Element Wasser

in dem die Seelen wohnen und das die Fruchtbarkeit bringt, wird repräsentiert durch die Seelen-Teiche (Frau Holle-Teich und der Höhlenteich im Hohlstein) und die Borne, die Quellen, denen lebensspendende Eigenschaften zugeschrieben werden.

So ist laut Wilhelm Wägner vom Vogelsberg, einem bekannten Holle-Ort in Mittelhessen, folgendes Lied überliefert:

Miameide - steht auf der Heide – hat ein grün´s Röcklein an.
Sitzen drei schöne Jungfern dran.
Die eine schaut nach vorne, die andre in den Wind.
Das Weibsbild an dem Borne hat viele, viele Kind.


vgl. Wilhelm Wägner, Nordisch-germanische Götter- und Heldensagen, Naunhof, 1934, S. 120


Holle-Teich Spiegelung

Spiegelung im Holle-Teich

Foto: Annette Rath-Beckmann


Das Erdelement

schließlich ist verbunden mit den der Holle gewidmeten Höhlen wie dem Hohlstein und der Kitzkammer, der Venusgrotte im Hörselberg und der Barbarossa-Höhle im Kyffhäuser.
Auch der Name Holle deutet auf einen starken Bezug zur Erde hin: die Ursilbe kall, die Vertiefung, Wölbung im Sinne von Höhle bedeutet, liegt vermutlich dem Namen Holle zugrunde.

Frau Holle ist die Herrin der Höhlen und Berge und erschafft neue Felsformationen mit den Brocken, die sie aus ihren Schuhen schüttelt: so ist u.a. die Blaue Kuppe bei Eschwege entstanden.

Karl Paetow - Frau Holles Heimkehr zum Meißner 

Die Blaue Kuppe bei Eschwege

"Die Blaue Kuppe südlich von Eschwege ist ein bekanntes Naturdenkmal und ausgewiesenes Naturschutzgebiet. 'Weltberühmt' wurde sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als sie in die Diskussion über die Natur des Basalts einbezogen wurde; man war sich damals noch nicht über dessen Entstehung einig, und die 'Neptunisten' meinten, er sei als Meeresablagerung entstanden, während die 'Plutonisten' die heute allgemein gültige Auffassung vertraten, dass er aus glutflüssigem Magma entstanden sei. Jedoch nicht die naturgeschichtliche Bedeutung soll Thema dieses Beitrags sein, sondern der Name des Berges und sein Bezug zu Frau Holle.

Stein im Schuh
Was hat Frau Holle mit der Blauen Kuppe zu tun? Nur einen einzigen Hinweis gibt es, quasi eine Randnotiz aus dem heimischen Sagenschatz:

„Zwischen Eschwege und Reichensachsen liegt ein Berg, die Blaue Kuppe genannt. Den Gipfel dieses Berges bedeckt ein großer Felsblock, der soll von der Frau Holle herrühren. Als diese einmal über den Berg ging, drückte sie etwas im Schuh. Sie zog ihn vom Fuße und schüttete einen Stein heraus, der liegen blieb. Es soll, wie die Reichensächser behaupten, jener Felsblock gewesen sein."

Das Sagenmotiv des Drückens im Schuh ist weit verbreitet und gehört in den Bereich der Riesen- und Teufelssagen, die von Valerie Höttges zusammengestellt wurden. Wie schon bei den Hollsteinen nahe Hollstein und dem Todstein (Bär) vor Abterode sehen wir auch hier an der Blauen Kuppe Frau Holle erneut in einer Rolle, die eigentlich Riesen und dem Teufel zukommt. Dies mag mit der Dominanz der Frau Holle als Sagenfigur in unserer Heimat zusammenhängen; sie hat die anderen Sagenfiguren verdrängt.
An dem kurzen Sagentext sind zwei Dinge bemerkenswert. Einmal, dass den Gipfel des Berges ein großer Felsblock bedeckt haben soll; dies ist nur schwer mit der heutigen Situation zu vereinbaren, die durch j ahrhundertelangen Steinbruchbetrieb geprägt ist. Außerdem wird gesagt, dass die Geschichte von den Einwohnern Reichensachsens erzählt wird, nicht etwa von den Eschwegern, in deren Gemarkung die Blaue Kuppe liegt. Was lässt sich über den Berg und seine urkundlich belegbare Geschichte hierzu ermitteln?

Ältestes Zeugnis von 1588
Das älteste Zeugnis über die Blaue Kuppe und ihre Umgebung ist die Karte der Cent Eschwege aus dem Jahr 1588. Die Karte ist gesüdet, das heißt Süden ist oben. Nördlich der Mühlhäuser Straße sieht man hier zwei Kuppen, von denen die größere als 'der Wenigenberg' und die kleinere als 'der Weyenhouel' bezeichnet werden. Beide Namen sind heute nicht mehr geläufig und verwirren zunächst, ebenso wie die nicht korrekt wiedergegebene Lage der beiden Kuppen zueinander. Dass es sich um die 'Blaue Kuppe' und die 'Kleine Kuppe' handelt, steht außer Zweifel, auch wenn die kleine nicht nordwestlich, sondern in Wirklichkeit nordöstlich der großen Kuppe liegt.

Die unterschiedlichen Benennungen der Kleinen Kuppe (einst Staufenbühl genannt) lassen wir hier außer acht. Dass der 'Wenigenberg' die Blaue Kuppe ist, lässt sich anhand jüngerer schriftlicher Quellen beweisen; zum Beispiel ist in den Rechnungen des Eschweger Hospitals von 1725 und 1739 die Lagebezeichnung 'bey der Wenge Koppen' zu finden. In verballhornter Form findet sich auch die Schreibweise 'große Mengenkoppe', wobei man bedenken muss, dass sich in der damaligen Schrift das große 'W' und das 'M' oft nur schwer unterscheiden lassen. Seit den Katasteraufnahmen von 1745 findet sich dieser Name in den Eschweger Quellen nicht mehr, aber im Nummernbuch zur Langenhainer Flurkarte von 1794 lässt sich die Flurlage 'Vor dem Wengenberg an der Mühlhäuser Straße' noch nachweisen.

Beide Hügel werden in Schleensteins Karte des Amtes Eschwege von 1710 ganz neutral als 'Grose Koppe' und 'Kleine Koppe' bezeichnet. Auch in den Karten und Steuerkatastern von Eschwege finden sich von der Mitte des 18. Jahrhunderts an nur noch diese mehr oder weniger nichtssagenden Namen. Im Eschweger Steuerkataster von 1769 sind beide als städtische Grundstücke eingetragen, und hier wird die sehr unterschiedliche Größe beider Liegenschaften deutlich: während die 'große Kuppe' 29 ¼ Acker umfasst, bringt es die 'kleine Kuppe' gerade einmal auf ¾vAcker; beide werden als Triesch, das heißt unbebautes Land eingestuft.

Basaltabbau ab 19.]ahrhundert
Wann die Eschweger damit begonnen haben, den Basalt der Blauen Kuppe abzubauen und zu nutzen, ist nicht genau zu bestimmen. Erstmals 1802 taucht eine entsprechende Notiz in der Stadtrechnung auf:

 '24 Albus (von) Franz Schilbe für 2 Fuder Steine aus der blauen  Koppe zu fahren.'

Von da an häufen sich Nachrichten über die Abfuhr von Steinen, so in der Stadtrechnung von 1803 und verstärkt ab 1806. Von 1833 bis mindestens 1880 diente die Blaue Kuppe vornehmlich als Steinbruch zur Herstellung von Straßenbaumaterial und wurde zu diesem Zweck von der Stadt an die kurfürstliche, später preußische Staatsbauverwaltung verpachtet; da­ neben erfolgte in kleinerem Maße auch noch die Abgabe an Privatkunden. Die aktenmäßig nachweisbare Nutzung als Steinbruch beginnt demnach wohl kurz vor 1800, was sich dadurch bestätigt, dass ab 1802 die naturwissenschaftlichen Abhandlungen über die Blaue Kuppe publiziert wurden.

Während der Name 'Blaue Kuppe' in den Eschweger Schriftquellen vor 1802 nicht erscheint, kommt er doch in den Reichensächser Unterlagen schon früher vor. Die Flurkarte von Reichensachsen aus dem Jahr 1788 enthält den Flurnamen 'Vor der blauen Koppe' ebenso wie ds zugehörige Nummernbuch. Erstmals findet sich der Name 'Blaue Kuppe' nach dem derzeitigen Forschungsstand im Reichensächser Steuerkataster von 1745 in Form der Lagebezeichnung 'vor der blauen Koppen'. Der acht Jahre ältere Steuerstock von 1737 enthält hingegen nur die Bezeichnung 'bey der großen Koppen'. Da die so benannten Grundstücke dem Eschweger Hospital gehörten, bestand Hoffnung, in den Rechnungen dieser Einrichtung noch früher fündig zu werden, aber auch hier findet man den Namen 'Blaue Kuppe' leider nicht. Festzuhalten bleibt also, dass der Name 'Blaue Kuppe' in Reichensachsen viel früher auftaucht als in Eschwege.

Kommen wir nun zu den beiden Bemerkungen in der Sage zurück, so verstärkt sich damit der volkskundliche Zusammenhang des Berges mit Reichensachsen. Von hier aus hat sich der Name 'Blaue Kuppe' verbreitet, und hier wurde die Sage von Frau Holle erzählt. Nach allem, was man bisher weiß, ist davon auszugehen, dass die Blaue Kuppe vor der Nutzung als Steinbruch eine felsige Spitze trug, denn sonst wäre die Sage vom Stein, der im Schuh drückte, nicht entstanden.

Die blaugraue Farbe der Basaltspitze mag zu der Bezeichnung 'Blaue Kuppe' geführt haben, so wie der heute an der Neustädter Kirche liegende 'Blaue Stein' ebenfalls ein Basalt ist. Dass dieser 'Blaue Stein' einst nicht in der Stadt Eschwege, sondern in der Feldmark lag, ist eine interessante These. Auf der schon erwähnten Zentkarte von 1588 ist nämlich unweit der Blauen Kuppe an der Mühlhäuser Straße ein Gerichtsplatz mit Stein und Galgen eingezeichnet, und dieser ist hier als 'blausteyn' bezeichnet. Aber dies ist eine andere Geschichte ..."

Karl Kollmann, Frau Holle und das Meißnerland, S. 160 ff






































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