Im Reich der Frau Holle

Annette Rath-Beckmann
Historikerin | Matriarchatsforscherin

Umzüge der 'Holle-Frauen' (Hullefraan)

in Thüringen und angrenzenden Gebieten

Außer dem Brauch, dass Frau Holle in einigen Gegenden Thüringens und angrenzenden Gebieten (Rhön, Unterfranken, Meißnerland, Göttinger Umland) als Gabenbringerin in der Weihnachtszeit erschien, gab und gibt es vor allem in Südthüringen winterliche Umzüge der Holle-Frauen bzw. Hullefraan oder Hulleweiber, wie Andrea Jakob sie nennt.

Sie werden zum Teil begleitet von den ganz in Stroh gekleideten Herrschekloesen und/oder der Hullewetz, einer angsteinflößenden, schwarz gekleideten alten Frau mit Kiepe (Kötze) auf dem Rücken und einer Sichel in der Hand.

Herrschkloesen

Herrschekloese

Foto, In: Frau Holle: Mythos, Märchen und Brauch in Thüringen, S. 126, Gethles, Meininger Museen

Hullewetz

Hullewetz

Foto, In: Frau Holle: Mythos, Märchen und Brauch in Thüringen, S. 111, Deutsches Märchen- und Wesersagenmuseum Bad Oeynhausen


"Aus dem Thüringer Raum gibt es einige Berichte, aber auch aktive Umgangsbräuche, bei welchen Frau Holle andere weihnachtliche Gestalten begleitet ... Laut Grimm soll es umgekehrt gewesen sein, daß Frau Holle selbst als Hauptperson auftrat und von den zuletzt genannten Gestalten assistiert wurde."

Andrea Jakob, Lebendige und vergangene Bräuche mit Frau Holle in Südthüringen und angrenzenden Gebieten. In: Frau Holle: Mythos, Märchen und Brauch in Thüringen, S. 124; vgl. Grimm, Deutsche Mythologie, Bd I, S. 223 und S. 426 ff.


"Die Hullefraasnacht in Schnett beginnt mit Einbruch der Dunkelheit, am späten Nachmittag des zweiten Januar. Nach dem Dunkelwerden
um 16.00 Uhr tauchen unheimliche Gestalten aus dem Dunkel auf und versperren den wenigen Straßenpassanten den Weg ...


"Diese Umzüge finden i.d.R. in den Rauhnächten, teils auch in der
 Vorweihnachtszeit statt und sind zum Teil noch heute lebendiges Brauchtum ... Zur Kirmeszeit im Herbst gehen die Hulleweiber in Waldau bei Schleusingen und in Hinternah um; ebenfalls zur Kirmeszeit traten in einigen Dörfern um Meinigen die Basehexen (Besenhexen) in Erscheinung ...


Eine Hullefraa 

des Jahres 1999 

mit Gertenträger

Hullefra

Foto, In: Frau Holle: Mythos, Märchen und Brauch in Thüringen, S. 130, Meininger Museen


Aus dem Thüringer Raum gibt es einige Berichte und aber auch aktive Umgangsbräuche, bei welchen Frau Holle andere weihnachtliche gestalten begleitet ... Laut Grimm soll es umgekehrt gewesen sein, daß Frau Holle selbst als Hauptperson auftrat und von den zuletzt genannten Gestalten assistiert wurde.

Andrea Jakob, Lebendige und vergangene Bräuche mit Frau Holle in Südthüringen und angrenzenden Gebieten. In: Frau Holle: Mythos, Märchen und Brauch in Thüringen, S. 124; vgl. Grimm, Deutsche Mythologie, Bd I, S. 223 und S. 426 ff ...

Die Hullefraasnacht in Schnett beginnt "mit Einbruch der Dunkelheit, am späten Nachmittag des zweiten Januar. Nach dem Dunkelwerden um 16.00 Uhr tauchen unheimliche Gestalten aus dem Dunkel auf und versperren den wenigen Straßenpassanten den Weg ..."

So an die 20 Hullefraan ziehen zuerst allein mit Gertenträgern möglichst geräuschvoll von Haus zu Haus, und gegen 18 Uhr sind sie in den völlig überfüllten Gaststätten anzutreffen ... Mit drei Rutenschlägen auf den Rücken und den Worten

 "Eins – zwei – drei – Jaaa! Ein gesundes Neues Jaaahr!"

wünschen sie ... auch Glück und Fruchtbarkeit. Die Schläge sollen auch Reinigung und Vertreibung der bösen Geister, Schutz vor Krankheiten, Naturgewalten und Abwendung von Unheil im Stall bedeuten ... Mit der Hullefraasnacht vergleichbare Veranstaltungen scheint es nur in Österreich zu geben. Dort finden zur Ergötzung der Einheimischen und der Touristen Perchtenläufe bzw. -Umzüge statt. Meist am Dreikönigsvorabend, der letzten Raunacht, sind in verschiedenen Orten im Salzburgischen, im Salzkammergut oder in den Hohen Tauern maskierte, mit Glocken behängte Gestalten unterwegs."

Andrea Jakob, Lebendige und vergangene Bräuche mit Frau Holle in Südthüringen und angrenzenden Gebieten. In: Frau Holle: Mythos, Märchen und Brauch in Thüringen,
S. 130-136


Aus dem Meißner-Gebiet sind solche Umzüge in einigen an Thüringen angrenzenden Ortschaften ebenfalls bekannt; beispielsweise ziehen am letzten Tag des Karnevals in Heldra Strohmänner durch den Ort, die äußerlich identisch sind mit den Thüringer Gestalten in Schnett und anderswo. Der Ursprung dieses Brauchtums und ein möglicher Zusammenhang mit den Holle-Frauen (Hulle-Fraan) ist in den hessischen grenznahen Ortschaften jedoch nicht mehr gegenwärtig.
In Wanfried geht bei den Kirmesumzügen ein mit Brombeerranken geschmückter Mann, der Brombeermann an prominenter Stelle mit seinem Gefolge von Elfen und Zwergen im Umzug mit. Zu diesem Brauch gibt es eine Sage, in der Frau Holle eine wichtige Rolle spielte.

vgl. Wilhelm Pippart, Der Brombeermann: alte Sachen, Sagen und Sänge aus dem mittleren Werratal, Eschwege, 1928 (in 3. revidierter Aufl. in Faksimile hrsg. vom Magistrat der Stadt Wanfried, 1979; im Privatverlag Helmut Pippart, Wanfried, 2012)

Bei dem Brombeermann handelt es sich möglicherweise um eine spezielle Ercheinungsform des Grünen Mannes, des Begleiters der Frau Holle durch ihr Vegetationsjahr.

Der grüne Mann als Verkörperung des VegetationsjahresDer grüne Mann als Verkörperung des Vegetationsjahres

Vielleicht steckt hinter dem Kirmesläufer von Germerode, den Gardenstone in seinem Werk über die Göttin Holle beschreibt, eine verwandte Gestalt. Er führt dazu aus:

Diese Kirmes, Salatkirmes wird sie genannt, findet jedes Jahr im Mai statt. Eine besondere Attraktion ist der Kirmeszug mit dem voranschreitenden Läufer. Dieser Läufer ist angeblich ein Relikt aus der heidnischen Tradition germanischer Vorfahren ... Der Läufer ist sehr bunt gekleidet, und diese Farbenpracht soll die Wiederbelebung der Natur, das ganze Spektrum von Farben der Blumen, Blüten, Wiesen und Bäumen ausdrücken und enthält eine Erinnerung sowohl an den germanischen Frühlingsgott Baldur als auch an die Erdgöttin Freyja/Holle.

Der Läufer führt mal tänzelnd, dann wieder schreitend, den Zug an und schwingt dabei seinen Stab. Es geht zuerst zur Kirche, wo ein Gottesdienst stattfindet ... und dann weiter durch das ganze Dorf. Weil der Läufer das alte Heidentum symbolisiert, darf er selbst die Kirche nicht betreten, sondern muß draußen warten. Aber nachher, wenn es weitergeht, tritt er wieder voll in Aktion.

Gardenstone (Pseud.), Die Göttin Holle, S. 190/191





















































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