"Das
Gelände gleicht
weniger einer Kuppe als einer
Hochfläche, die in den Wachtsteinen sehr steil
abfällt. Auf alten Flurkarten heißt diese Kuppe noch
der Hohe
Malstein. Das Plateau war ein alter Versammlungsplatz, der
immer wieder verschieden besetzt wurde, noch 1813 sollen sich
die Menschen der umliegenden Dörfer hier
versammelt und ein Fest gefeiert
haben. Auf eine alte Bedeutung als Kultstätte weist die
Silbe Mal hin,
sie bedeutet Zeitpunkt, Zeichen
und
ebenso Gerichtsstätte.
Vom Hohen Malstein gibt es hervorragende Sichtlinien zum
Kratzenberg und zum Habichtswald bei Kassel. Sichtlinien waren
für das früheste,
jungsteinzeitliche
Kommunikationssystem äußerst wichtig. Denn
mit Feuern wurden von hohen Plätzen aus die Daten der
bedeutendsten Festtage des
matriarchalen Jahreszeiten-Kalenders weithin in der Runde
bekannt gemacht und von
einer Anhöhe oder Kuppe zur nächsten weiter
signalisiert. Die Daten wurden mithilfe der archaischen
Steinekreise ermittelt, die Kultplätze und zugleich
Observatorien
für die Aufgänge und Untergänge der Gestirne
waren. Regelmäßig lagen auch diese auf hohen
Plätzen. Insofern sind die beiden ersten Bedeutungen
von Mal
sehr zutreffend, denn es wurden zu bestimmten Zeitpunkten von
hier Feuer-Zeichen
als
Kommunikation gegeben.
Vielleicht
haben hier einmal solche Peilsteine gestanden, die heute
verloren sind, denn es wurde immer wieder gerodet und
damit flurbereinigt.
Die
Bedeutung von Mal
als Gerichtsstätte
ist ebenfalls aufschlussreich, denn hier könnte auch Gericht
gehalten worden sein. In vielen ihrer Mythen tritt Frau Holle als
Richterin auf, indem sie gierige, faule und ungerechte Menschen
bestraft. Gericht
heißt im matriarchalen Kontext nicht etwa verurteilen und
hinrichten,
sondern die Balance in der Gesellschaft und der Welt wiederher
stellen, die durch Frevel gestört worden ist.
Diese gerichtlichen
Handlungen waren in den Kult eingebettet und fanden nicht davon
getrennt statt. Auch dafür könnte der Hohe Maistein
als Kultplatz ein Ort gewesen sein, wobei solche Handlungen unter
großer Volksbeteiligung stattfanden und in eins der Feste aus
dem Jahreskreis der Göttin mündeten."
Heide
Göttner-Abendroth, Matriarchale
Landschaftsmythologie, S.
71 - 72
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